Noch mehr Besucher_innen als je zuvor nahmen an den 4. Deutschen Kulturtagen der Gehörlosen 2008 unter dem Motto „Eine Kultur entfaltet sich“ teil. Unter der Präsidentschaft Alexander von Meyenns kamen zahlreiche internationale Vertreter_innen der Gehörlosenverbände. Themen aus Politik, Schule, Medizin und Kunst füllten das Programm und bildeten einen großen Bestandteil der angebotenen Workshops und Ausstellungen. Um die Gesellschaft über das Vorhandensein der Gehörlosengemeinschaft aufzuklären, fand in der Kölner Innenstadt eine Demonstration von 5.000 Gehörlosen statt. Während der friedlichen Demonstration forderten alle gemeinsam eine 100%-ige Untertitelung im Deutschen Fernsehen.
Knapp 3.000 Gehörlose und Gebärdensprachnutzer „pilgerten“ in den letzten Augusttagen nach Köln in das Messe- und Kongresszentrum am Rhein. Überall großes Wiedersehen altbekannter Gesichter und reges „Gebärden“ in allen Ecken und Etagen bis endlich alle in den großen Festsaal zur Eröffnungsfeier strömten.
Die Schirmherrin Bundesministerin für Gesundheit Ulla Schmidt begrüßte die Anwesenden und betonte dabei, dass sie gern die Schirmherrschaft für die 4. Deutschen Kulturtage der Gehörlosen übernommen hat. Weitere Grußworte kamen vom Kölner Bürgermeister Josef Müller, dem Präsidenten des Deutschen Gehörlosen-Bundes Alexander von Meyenn und dem Geschäftsführer des Europäischen Gehörlosenbundes (EUD) Mark Wheatley. Das Moderatorenpaar Katja Fischer und Thomas Mitterhuber führten die Gäste souverän durch das tolle Programm mit viel Show und Effekten.
Der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. entschuldigte sich für die begangenen Verbrechen gegenüber den tauben jüdischen Mitbürgern, welche von der Vorgängerorganisation Regede inszeniert worden waren. Der anwesende Präsident des israelischen Gehörlosenbundes Doron Levy und der Vorsitzende der gehörlosen Juden Deutschlands (IGjAD) Mark Zaurov nahmen die Entschuldigung an. Auf drei Ebenen der Messe fanden Vorträge, Workshops und Vorführungen aller Art statt. Die Besucher hatten schon die Qual der Wahl und wollten sich gern zweiteilen.
Fast alles, was Rang und Namen hatte, war anwesend: der erste gehörlose Professor Deutschlands, Prof. Dr. Christian Rathmann; Der Präsident des Weltverbandes der Gehörlosen (WFD) Markku Jokinen, der Geschäftsführer vom Europäischen Gehörlosenbund (EUD) Mark Wheatley, die Rap-Gruppe SIGNMARK, und viele andere aus den politischen, schulischen, medizinischen und künstlerischen Bereichen.
Zwei Ausstellungsbereiche in den langen Gängen der Messe sorgten für reichhaltige Abwechslungen zwischen den Vorträgen. Man konnte sich an den Ständen verschiedener Firmen über technische Hilfsmittel und Möglichkeiten informieren oder mit den Künstlern, die ihre Kunstwerke ausgestellt hatten, austauschen bzw. ihre Werke kaufen.
Am letzten Tag ging es vor der Abschlussfeier noch zu einer großen Demonstration in die Kölner Innenstadt. Organisiert von der Gruppe „Sign Dialog“ und anderen Mitstreitern demonstrierten mehr als 5.000 Teilnehmer für 100 Prozent Untertitelung im deutschen Fernsehen! Mit vielen originellen Sprüchen auf T-Shirts, Pappschildern und Bannern fand der lange friedliche Demonstrationszug regen Zuspruch von den Zuschauern, den blockierten Autofahrern und der Polizei (deren Kommentar „Dies war bislang die friedlichste Demo in der Kölner Geschichte“ darf man als „Ritterschlag“ annehmen!), die dann auf einem Platz in der Innenstadt in einer Kundgebung mit Bühne und viel Show endete.
Am Abend fand die Galaveranstaltung im Kristallsaal der Messe statt, wo auch der Kulturpreis verliehen wurde. Nach einer Gedenkminute für den kurz vor den Kulturtagen verstorbenen weltbekannten Künstler Gunter Trube wurden Dr. Ulrich Hase für seine politische Arbeit in der Gehörlosenbewegung, der Historiker Jochen Muhs aus Berlin, der bildende Künstler Dieter Fricke aus Flörsheim (Main), der Schauspieler Kurt Eisenblätter aus Berlin, der Grafiker/Fotograf Volkmar Jaeger aus Leipzig und posthum der Künstler Albert Fischer aus München mit dem Kulturpreis geehrt.
Nach der offiziellen Galavorstellung wurde noch in der unteren Etage mit SIGNMARK gerockt, Rob Roy gelacht und Rainer Merz brachte mit seinem Bodypainting die Zuschauer zum Staunen.
So gingen drei ereignisreiche Tage in Köln zu Ende und alle fuhren mit vielen Eindrücken wieder nach Hause.
Erik Körschenhausen